Fachkräftegewinnung und -sicherung in Thüringen

2. Regionalkonferenz der SADW im Jahr 2023 – "Arbeitsmarkt und Migration"

1. November 2023, 14:00 - 18:00 Uhr, CCS Suhl (Friedrich-König-Straße 7, 98527 Suhl)

Staatssekretär Torsten Weil (TMIL) betonte bei der 2. Regionalkonferenz des Jahres 2023 die Bedeutung des Themas Fachkräftesicherung für Thüringen:

Der Fachkräftegewinnung und -sicherung kommt in den nächsten Jahren höchste Priorität zu. Um flächendeckend gute Daseinsvorsorge und gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen, müssen wir Thüringen als Ausbildungsstandort stärken und gleichzeitig Fachkräfte aus dem In- und Ausland nach Thüringen holen.“, so Weil.

Thüringen hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Zuwanderungsland entwickelt. Das ist eine positive Botschaft. Gleichzeitig müssen wir anerkennen, dass das weitere Zuwanderungspotenzial aus dem EU-Ausland mittlerweile begrenzt ist, weil sich viele potentielle Herkunftsländer selbst im demografischen Wandel befinden. Deshalb müssen wir verstärkt auf Zuwanderung auch aus Ländern außerhalb der EU setzen, was zusätzliche Integrationserfordernisse mit sich bringt. Es ist deshalb unabdingbar, unsere Bemühungen zur Integration von internationalen Fachkräften zu verstärken und Hindernisse auf dem Arbeitsmarkt abzubauen.“, führte der Staatssekretär weiter aus.

Hintergrund: Die demografische Entwicklung im Freistaat Thüringen wird in den kommenden Jahren zu einem branchenübergreifenden Mangel an Arbeitskräften führen, da die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter bis 2042 um knapp 165.000 Personen abnehmen wird. Durch den Renteneintritt geburtenstarker Jahrgänge („Baby-Boomer“) entsteht dabei ein sehr hoher Ersatzbedarf. Fehlendes Personal zur Aufrechterhaltung vorhandener Infrastruktur sowie von Sozial- und Versorgungssystemen stellt insbesondere im ländlichen Raum eine große Herausforderung dar.

Nach der Begrüßung durch den Leiter der SADW, Herrn Dr. Olaf Zucht, verdeutlichten Frau Peggy Greiser, Landrätin des Landkreises Schmalkalden-Meiningen, sowie Herr Staatssekretär Weil in ihren Grußworten die große Bedeutung des Themas Zuwanderung für den Arbeitsmarkt und damit auch für die Fachkräftesicherung jeweils aus ihrer Perspektive. Während Frau Landrätin Greiser auf die vielfältigen Hintergründe und Motivationslagen der nach Thüringen zugewanderten Personen verwies, stellte Herr Staatssekretär Weil heraus, dass sich der Freistaat bereits in den vergangenen Jahren zu einem Zuwanderungsland entwickelt hat. Anhand einiger Beispiele aus der Landesverwaltung unterstrich er die bereits heute mitunter schwierige und aufwendige Suche nach qualifiziertem Personal.

Im Anschluss stellte Herr Prof. Dr. Michael Behr, Abteilungsleiter „Arbeit und Qualifizierung“ im TMASGFF, die Ergebnisse der im Mai 2023 erschienenen, neuen Fachkräftestudie „Herausforderungen und Chancen im demografischen Wandel – Arbeitsmarkt- und Beschäftigungsentwicklung in Thüringen – Projektion bis 2035“ vor.

Danach präsentierte Frau Cornelia Leclerque (IAB Sachsen-Anhalt-Thüringen) zentrale Ergebnisse ihrer Untersuchung zu ausländischen Beschäftigten in Thüringen. Dabei zeigte sich, dass ausländische Beschäftigte in einigen Branchen und Berufen im Freistaat bereits heute unverzichtbar sind und die Nachfrage nach Fach- und Arbeitskräften aus dem Ausland in Thüringer Unternehmen stetig steigt.

Anschließend wurden die Ergebnisse der beiden vorgestellten Studien von Herrn Prof. Dr. Joachim Ragnitz (ifo Dresden), Herrn Holger Bock (Bundesagentur für Arbeit) und Frau Leclerque in den allgemeinen Kontext eingeordnet. Hierbei wurde deutlich, dass Thüringen an seiner „Willkommenskultur“ arbeiten muss. Gleichzeitig gelingen gesellschaftlicher Zusammenhalt und Integration nur dann, wenn sie von allen Beteiligten jeden Tag aufs Neue bewusst gelebt werden.

Nach einer Kaffeepause wurden drei konkrete Projekte zur Gewinnung / Bindung ausländischer Fachkräfte mit ganz unterschiedlichen Ansätzen vorgestellt.

Zunächst skizzierte Frau Anastasia Sabatkouskaya von der „Thüringer Agentur Für Fachkräftegewinnung“ (ThAFF) die Aktivitäten und Angebote des „Welcome Center Thuringia“. Anschließend präsentierten Herr Prof. Dr. Gundolf Baier und Frau Florence Schmalz das an der Hochschule Schmalkalden angesiedelte Projekt „WORT“ (Weltoffene Region Thüringens). Ziel des Projekts ist die Bindung internationaler Fachkräfte in ländlichen Regionen durch eine Stärkung der interkulturellen Öffnung. Dieses Projekt ist explizit so ausgerichtet, dass es zukünftig auch auf andere Regionen Thüringens übertragen werden kann und sollte. Im dritten Projekt „Auszubildende aus Vietnam“, stellte Herr Jan Scheftlein von der IHK Südthüringen das seit 2016 laufende Projekt vor, mit dem Auszubildende direkt in Vietnam angeworben werden.

Allen drei Projekten gemeinsam ist die Erkenntnis, dass Fachkräftegewinnung und -sicherung in Thüringen nur mit der Bereitschaft aller Beteiligten für eine gelingende Integration funktionieren kann. Dies umfasst neben einer Willkommenskultur der aufnehmenden Gesellschaft, das gegenseitige Interesse sowie eine klare Kommunikation hinsichtlich möglicher Herausforderungen.

In der abschließenden Diskussionsrunde „Café international“ lieferten Frau Prof. Dr. Silke Übelmesser (FSU Jena), Frau Annett Roswora (Büro der Beauftragten für Integration, Migration und Flüchtlinge beim TMMJV) und Herr Andreas Sommer-Kessel vom Gasthaus & Hotel Goldener Hirsch in Suhl Praxiseinblicke zum Umgang mit ausländischen Studierenden und Beschäftigten. Darüber hinaus kamen mit Herrn Adelino Massuvira João (Evangelische Migrationsberatung Suhl) und Herrn Rashid Kanan (DRK Suhl) auch zwei aus dem Ausland Zugezogene zu Wort, die sehr anschaulich von ihren eigenen Erfahrungen berichteten – über die Ankunft in Deutschland, anfängliche Sorgen und Ängste, aber auch langfristige Herausforderungen, die sie als Personen mit Migrationshintergrund in Thüringen erlebten und erleben.

Die Öffnung für die jeweilige Perspektive des Gegenübers mit seinen Fähigkeiten, aber auch Eigenheiten, ist neben dem Erwerb der deutschen Sprache die Grundlage für ein erfolgreiches gemeinsames Miteinander, so der abschließende Tenor der Veranstaltung.

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